Abschließend sei noch ein weiterer musikalischer Aspekt der rhythmischen Funktionsordnung beim Menschen angedeutet. Es konnte ja auf der einen Seite aufgezeigt werden, daß die Merkmale einer musikalisch-harmonischen Ordnung dann besonders intensiviert werden, wenn der Mensch schläft. Die strengere Ordnung von Frequenzen und Phasen der rhythmischen Funktionen und eine gleichzeitige Reduktion auf wenige spontane Grundrhythmen sind offensichtlich eine wichtige Voraussetzung für die nächtliche Erholung und Regeneration, da ein harmonisches Koagieren aller Teilfunktionen die energetischen Ansprüche auf ein Minimum reduziert.
Auf der anderen Seite führen aber Aktivität und Beanspruchung der Körperfunktionen am Tage zu einer Auflösung bzw. Aufsplitterung dieser harmonischen Ordnung. Dies geschieht aber in den drei Funktionsbereichen des Spektrums wie schon ausgeführt wurde in ganz unterschiedlicher Weise (vgl. Abb.20). Im Bereich der komplexeren Stoffwechselrhythmen verfügt jede rhythmische Funktion über eine ganze Reihe von vorgegebenen harmonischen Frequenzbanden, in welche die Funktionen je nach ihrer Beanspruchung hineinwechseln.
Musikalisch gesprochen handelt es sich dabei um eine Oberton- bzw. Untertonreihe. Diesen Obertonreichen Rhythmen im Stoffwechselbereich stehen im Informationssystem rhythmische Funktionen gegenüber, die ihren Aktivitätsgrad durch gleitende Frequenzmodulationen anzeigen, ohne bestimmte Frequenzen zu bevorzugen oder mitschwingen zu lassen. Es sind gewissermaßen Obertonarme Rhythmen. Und im mittleren Bereich der Atmungs- und Kreislaufrhythmen durchdringen sich wiederum diese beiden polar verschiedenen Eigenschaften.
Wenn diese Analogie erlaubt ist, so könnte man in der biologischen Zeitstruktur des Menschen unter dem Gesichtspunkt der Klangfarbe verschiedener Instrumente eine orchesterähnliche Organisation vermuten. Dabei wären die Obertonarmen Holzbläser dem Informationssystem zuzuordnen, die Obertonreichen Blechbläser und Schlaginstrumente dem Stoffwechsel-Bewegungssystem. Und im Zentrum fänden sich dann die in ihrer Klangfarbe sehr wandelbaren Saiteninstrumente als Ausgleich zwischen den Extremen. Tatsächlich sind z.B. von BÜHLER (1976) und KÖNIG (1969) solche Zuordnungen schon vorgenommen worden, in Anlehnung an STEINER (1969), der den Menschen bereits als Orchester charakterisierte.
Die Untersuchung der ganzen zeitlichen Organisation des Menschen macht aber deutlich, daß außer den genannten Effekten für alle Grundelemente der Musik adäquate Funktionsmerkmale aufgefunden werden können. Ihre Berücksichtigung wird die Gesichtspunkte und Fragestellungen der Musikphysiologie und Musiktherapie, wie sie auch durch die professionelle Rhythmik aufgeworfen werden, beträchtlich erweitern können. Die methodischen Voraussetzungen dazu sind von der modernen Chronobiologie bereits sehr weitgehend erarbeitet worden.